Nanowissenschaft ganz groß
07.05.2019

Nanowissenschaft ganz groß Versuchsmarathon im Schullabor der Universität Hamburg

Bei einem Sonnenuntergang lässt sich vortrefflich die Zukunft planen. Schließlich braucht das Farbenspiel Zeit. „Die Reaktion verläuft relativ langsam“, erklärt Tim Wagner. Der Student der Nanowissenschaften an der Universität Hamburg wendet sich an die Mädchen: „Habt ihr Fragen? Zum Versuch, Studium oder eurer nächsten Chemieklausur?“ Enna, Sophie, Anne und Marie lassen sich nicht lange bitten: Wie eine Vorlesung abläuft, wie schwer so ein Studium ist und was für Jobs sich dahinter verbergen, wollen die Lise-Meitner-Gymnasiastinnen aus Norderstedt wissen. Der Student beantwortet geduldig alle Fragen, zeigt aber gelegentlich auf den Versuchsaufbau: Die Lösung im Bechergefäß unter dem Overhead-Projektor wandelt sich von leicht bläulich auf milchig-trüb. „Sprecht niemals im Labor von Weiß, das wären ja alle Farben gleichzeitig“, erklärt Wagner. Auf der Leinwand wechselt die Farbe von Weiß auf Gelb, Orange bis fast Schwarz – ein „chemischer Sonnenuntergang“ eben.

Der chemische Sonnenuntergang

Dass man in der Flüssigkeit etwas anderes sieht als auf der Leinwand, findet Enna so faszinierend wie verwirrend: „Das liegt an der Lichtbrechung?“, fragt die 15-Jährige noch einmal nach. „Genau, was wir hier im Becherglas sehen sind die kleinen Teilchen“, sagt Wagner. Natürlich sieht man die Schwefelmoleküle darin nicht wirklich, ihre Größenordnung liegt schließlich im Nanometerbereich. Aber dass sie wachsen und damit ausfallen, beweise ja gerade der Effekt auf der Leinwand. Der Nebeneffekt: Bei „Molecules & Schools“, dem Schullabor der Universität Hamburg geht es um mehr als reine Chemie. Um das Phänomen der Lichtbrechungen zu verstehen, brauchen die Mädchen physikalisches Grundwissen, bei der Synthese von Gold-Nanopartikeln im nächsten Versuch geht es indirekt um Quantenphysik und Wagners Bachelorarbeit dreht sich um „Life Science“, Krebs- und Strahlentherapien.

Fünf Versuche, ein Ziel: Hemmschwellen abbauen

Ganz schön anspruchsvoll für Neuntklässlerinnen, die erst seit einem halben Jahr im Fach Chemie unterrichtet werden. Aber das Fachwissen stehe nicht an oberster Stelle, sagt Physiklehrer Stefan Schleitzer, der die 14 mint:pink Teilnehmerinnen schon in der Frühe von Norderstedt bis in die Grindelallee begleitet hat: „So ein Laborpraxistag ist toll, weil er die Vielfalt der Naturwissenschaft zeigt, Lust am Experimentieren fördert und Hemmschwellen abbaut.“ So hat Sophie erst verdünnte Salzsäure, dann destilliertes Wasser passgenau abgemessen, Natriumthiosulfat-Lösung pipettiert und alles miteinander vermischt – elementarer Schwefel flockt aus!

Ein Feuerwerk an Impressionen

Marie hat zum Abschluss ein kleines Feuerwerk aus Eisenoxalat gezündet und Enna mit dem Lotuseffekt gespielt und blaue Kupfersulfattropfen über eine behandelte CD-Oberfläche hüpfen lassen. „Ein starkes Experiment“, kommentiert sie. Längst hat die Sonne draußen vor den Laborfenstern im „nanowissenschaftlichen Praktikum“ den Zenit überschritten, Anne denkt an den Untergang. „Wäre die Erde perfekt rund, gäbe es dann keinen roten Sonnenuntergang mehr?“, fragt die Neuntklässlerin. Einen Moment zögert Tim Wagner, dann zeichnet der Student eine Kugel auf ein Blatt Papier und unterschiedliche Standpunkte zur Sonne ein. „Abends muss ja das Licht immer noch einen längeren Weg durch die Atmosphäre zurücklegen als am Mittag, der rote Sonnenuntergang bleibt.“ Die Mädchen verabschieden sich, raus an die frische Luft aus kleinen Molekülen, die blaues Licht so gut streuen. Dispersion live.

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