Physik ist magisch, man kann aus Spulen, Kondensatoren und Widerständen ein elektronisches Musikinstrument bauen und dann mit der Hand berührungslos die Tonhöhe bestimmen. Vorausgesetzt man hat akkurat und planvoll gearbeitet. „Wir haben gestern unsere erste Platine gelötet, das war ziemlich anstrengend, weil wir auch falsche Widerstände eingebaut haben, die wir dann wieder rauslöten mussten“, erzählt Gosia. Die 17-Jährige sitzt eine Woche vor den Sommerferien im gut gefüllten Physikraum des Lisa-Meitner-Gymnasiums. Es ist Projektwoche, jedes Oberstufenprofil hat ein anderes Thema. Physiklehrerin Anika Vogel hat vor sechs Jahren das „Theremin“ in den Ring geworfen, seitdem wurde die Aufgabenstellung ständig verfeinert. Im Hintergrund arbeitet ein gelernter Radio- und Fernsehtechniker mit: Es ist Vogels Vater.
Theremin: Zum Heulen schön
Den Anstoß gab ein Musiklehrer: Ob Vogel nicht mal einen Theremin löten könne, die Geräte seien teuer, aber es gebe Anleitungen im Internet. Das musste die Physikerin erst mal googeln, dann englischsprachige Bauanleitungen für ihren Vater und seinen ersten Prototypen übersetzen: „Der Wunsch war, so wenig integrierte Bauteile wie möglich zu verwenden, damit die Schüler auch verstehen, was sie bauen.“ Das allerdings ist ein hohes Ziel. Drei Platinen werden benötigt, die Schüler bohren, planen und löten selbst, nur die erste Platine ist schon vorgefertigt: „Das ist wie Malen nach Zahlen“, erklärt Vogel. Für die anderen beiden Schwingkreise gibt es lediglich einen Bauplan. „Das Schaltungslayout müssen die Schüler selbst erfinden.“
Plan B: Selbstorganisation ist gefragt
Der Tisch von Gosia ist da einen großen Schritt weiter: Jeweils eine Gruppe von rund sechs Schülern hat sich entweder um Plan A oder B gekümmert, damit stehen jetzt die Schaltungslayouts und müssen „nur“ noch nachgebaut werden. „Es ist nicht vorgeschrieben, wie wir arbeiten“, erklärt Alma. Jeder Profilschüler soll am Ende sein Theremin mit nach Hause nehmen. „Aber als Gruppe findet man die Fehler schneller.“ Die 17-Jährige hat eine Liste technischer Daten auf ihrem Schreibblock notiert, nun holt sie die entsprechenden Bauteile aus dem Schubladenmagazin und steckt diese durch das Papier: So geht nichts verloren. Wenn Alma alles richtig gesteckt, gelötet und die Funktionalität am Oszilloskop überprüft hat, darf sie auf der Tafel einen zweiten Haken hinter ihrem Namen machen – und zwei von drei Platinen sind fertig.
Fass ohne Boden: Eine Woche voller Physik reicht nicht
Lernen, sich selbst zu organisieren, das gehört zur Arbeitswelt von morgen. Es hat aber auch ganz praktische Gründe, warum Anika Vogel moderne Managementtools einbindet: „Es ist schon eine Herausforderung, so ein Projekt mit 25 Leuten zu machen.“ Dass es so viele Anmeldungen im Physikprofil gab, liegt an den Mädchen: 13 Schülerinnen haben es gewählt, die meisten haben vorher die naturwissenschaftliche Profilklasse in der Mittelstufe besucht. So auch Gosia: „Physik beschäftigt mich einfach mehr als Geschichte oder PGW – es geht auch um das Verstehen der Welt, Gravitation und Schwarze Löcher.“ In der letzten Projektwoche hat Gosia einen Synthesizer gebaut, jetzt ist das Theremin dran. Es schlägt auch viele Abiturienten in den Bann, zurück in die Schulphysik, wo Henri gerade erklärt, wie die außerirdischen Klänge von Hand erzeugt werden. „Man hat mehrere elektronische Schwingkreise, einer ist an die Antenne angeschlossen.“ Der Abstand zwischen Hand und Antenne sei dabei tonangebend. It’s magic!
Ansehen auf YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=vXD0NOeCCBQ