Interview mit Grazia Vittadini
20.04.2021

Interview mit Grazia Vittadini

Grazia Vittadini, ehemalige Technologiechefin (CTO) bei der Airbus SE (heute in eben dieser Funktionbei Rolls-Royce), gibt in einem kurzen Interview Einblicke in ihren persönlichen Werdegang, ihre Visionen und tägliche Arbeit sowie den Umgang mit Stress. Zum Ende erzählt sie uns, was aus ihrer Sicht wichtig ist, wenn junge Frauen einen ähnlichen Weg wie sie einschlagen möchten.

Liebe Grazia, erzähle uns doch einmal: Wie hat es Dich als gebürtige Italienerin zu Airbus verschlagen, wo Du als heutige Technologiechefin solch eine beeindruckende Karriere hingelegt hast?

Grazia: Als Schülerin war es mein Traum, Kampfjetpilotin zu werden. Leider erhielt dieser Traum schnell einen Dämpfer, da zu dieser Zeit in der italienischen Luftwaffe nur Männer zu Piloten ausgebildet wurden. So erhielt ich prompt eine Absage auf meine Bewerbung. Nach anfänglicher Enttäuschung zog ich aus dieser Zurückweisung meine Motivation, Luft- und Raumfahrt zu studieren. Ich beschloss, Flugzeuge zu bauen und mich so zu verwirklichen. Daher habe ich mir einen Job in der Luftfahrindustrie gesucht. Und von meinem ersten Gehalt habe ich dann meinen Pilotenschein selber finanziert. Über die Jahre bin ich die Karriereleiter Stück für Stück raufgeklettert. Ich kann daher aus eigener Erfahrung sagen: Es gibt immer einen Weg! Selbst wenn das nicht immer genau der Weg ist, den man ursprünglich im Sinn hatte. Wichtig ist, sich zu trauen und neue Sachen auszuprobieren. 

Als Technologiechefin gestaltest Du viele Entwicklungen mit. Was sind Eure aktuellen Herausforderungen bei Airbus?

Grazia: Derzeit arbeiten wir mit unserem Team an der Zukunft des Fliegens. Konkret an einem Wasserstoff-Flugzeug, das schon in 15 Jahren abheben soll. Denn wir stellen uns nicht die Frage ob, sondern wie wir das Fliegen nachhaltig gestalten können. Wenn wir bei der Herstellung des Wasserstoffs erneuerbare Energien nutzen, könnten wir die CO2-Emissionen quasi auf null senken. Dazu müssen wir aber die Architektur des Flugzeugs komplett umkrempeln: Denn im Vergleich zu heutigem Kerosin hat Wasserstoff viel mehr Volumen und muss auf unter -250 Grad gekühlt werden. Dafür müssen wir die Treibstofftanks von den Flügeln in den Rumpf verlegen, wodurch das Flugzeug breiter und länger wird. 

Wie sieht Dein Arbeitsalltag aus?

Grazia: Die Technologie in unserer Branche ist inzwischen sehr kompliziert. An der gesamten Entwicklung eines neuen Flugzeugs können daher schon mal bis zu 10.000 Menschen mitwirken. Wir arbeiten daher in Teams, die sehr gut koordiniert werden müssen. Ich sage oft: In meinem Job geht es zu 20% um Technologien und zu 80% um Menschen. Besonders wichtig ist dabei eine große Diversität im Team. Denn für wirklichen Fortschritt müssen wir unterschiedliche Blickwinkel und Perspektiven zusammenbringen. 

Hast Du einen Ratschlag, wie man am besten mit Stress umgeht?

Grazia: Das Leben ist manchmal hektisch und stressig. Das wird immer so sein. Darum versuche ich stets eine gute Balance zu halten zwischen Tätigkeiten, die Energie kosten und solchen, die mir Energie geben. Nach einem aufreibendem Termin kann das zum Beispiel ein Arbeitsgespräch mit einer inspirierenden Kollegin sein oder auch eine Freizeitbeschäftigung, wie Radfahren, Musik, Laufen oder Lesen. Wichtig ist, dass jede und jeder für sich selbst herausfindet, was einem Freude bereitet. Das ist die Basis für ein gutes und gesundes Gleichgewicht. 

Was kannst Du jungen Frauen mitgeben, die eine ähnliche Richtung wie Du einschlagen möchten?

Grazia: Der Schlüssel ist in meinen Augen, immer offen für Neues zu sein und sich zugleich selbst treu zu bleiben. Wenn ein ausgeprägtes Interesse an naturwissenschaftlichen Fächern besteht, sollte man es auf alle Fälle weiterverfolgen. Denn aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Wenn Menschen mit dem Herzen bei der Sache sind, werden sie den richtigen Weg für sich finden.

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