Eine Hitzewelle im September 1911: die hohen Temperaturen haben Süddeutschland, die Schweiz und Zentralspanien fest im Griff – helle Farben auf einer Landkarte machen es deutlich. Ganz Frankreich dagegen bleibt grau in grau – mangels Daten. Dass vor über hundert Jahren weder Satellitennetze noch Flugverkehr Wetterdaten liefern konnten, ist ein Problem für Klimaforscher, die Extremwetter in der Vergangenheit mit heutigen Ereignissen vergleichen wollen. „Wir wüssten gern, wie die Hitzewelle 1911 abgelaufen ist“, sagt Caroline Arnold. Die promovierte Physikerin arbeitet im Helmholtz-Zentrum Hereon als „AI Consultant: Das klingt fancy und bedeutet am Ende, dass ich Data Science und Machine Learning für Klima, Erde und Umwelt mache“, erklärt sie dem Auditorium.
Learn AI
Es sind Jugendliche, Lehrkräfte und Interessierte, die sich aus unterschiedlichen Schulen für den Match Day „KI & Machine Learning“ angemeldet haben. Per Stream verfolgen sie, wie sich die Lücken auf der Wetterkarte von 1911 schließen: einmal mit einem traditionellen Modell der Bild-Rekonstruktion, einmal per KI-Tool. In diesem Fall ist das Ergebnis weitaus differenzierter, zeigt feine Strukturen und eine Hitzewelle in Frankreich – trotz Datenlücke. Das wirft Fragen auf: Wie realistisch sei das KI-Modell, wollen die Jugendlichen wissen. „Das KI-Modell hat schon andere Hitzewellen gesehen und kann die fehlenden Daten entsprechend konstruieren“, erklärt Caroline Arnold. Was bei der Rekonstruktion ganz gut funktioniere, zeige aber in der Vorhersage Schwächen: „Die KI versucht immer, möglichst nah am Mittelwert zu bleiben.“
Love AI
Mittelmäßig, teilweise halluzinierend, aber durchaus nützlich, so das Fazit aus dem Match mit der KI an diesem Vormittag. Solange wir Menschen die Kontrolle halten, Expertise haben und kritisch bleiben, versteht sich. Wobei wir da schon bei der Namensgebung, für die durch maschinelles Lernen erzeugten Anwendungen einen Fehler gemacht haben, betont Pierre-Alexandre Murena, Juniorprofessor an der TU Hamburg. „We shouldn’t call it Artificial Intelligence”, sagt der gebürtige Franzose. Dass „Computer Science“ international, interdisziplinär und vielfältig ist, auch das macht der Match Day deutlich. Mathe, Musik und Philosophie zählten zu Murenas Lieblingsfächern in der Schule – heute arbeitet er zu „AI & Art“, denkt laut über eine menschenzentrierte KI nach und ist komplett glücklich mit seiner Aufgabe.
Live the potential of AI
Die promovierte Biochemikerin Christiane Ehrt ist den umgekehrten Weg gegangen. In der Oberstufe hieß ihr Lieblingsfach Chemie und ihr Ziel war hochgesteckt: zu neuen Wirkstoffen und besseren Medikamenten beitragen. Im Studium lernte sie dann den langen Weg zum Arzneimittel sowie eine aufwändige Laborpraxis kennen und suchte nach Möglichkeiten, Vorhersagen zu beschleunigen. „Da habe ich angefangen, mich für Informatik zu interessieren – und war begeistert. Das hat Hand in Hand mit einer experimentellen Verifizierung Mega-Potenzial“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Uni Hamburg. Die Teamarbeit mit einem Informatiker und computergestützten Methoden während ihrer Promotion habe beflügelt – für dieselben Ideale und damit ein besseres Leben außerhalb virtueller Welten. Kein Match Day endet per Stream. Die Jugendlichen können auch im Nachgang noch Fragen stellen oder mit ihrem Profil auf Exkursion gehen. „Ein Besuch im Klimarechenzentrum lohnt sich“, sagt Caroline Arnold.
Die Match Days werden unterstützt von der Ingeborg-Gross-Stiftung, die sich für den Chemiestandort Hamburg stark macht.