Projekt soll Schülerinnen für technische Berufe begeistern
MINT – Das steht für Berufe und Schulfächer aus Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
Norderstedt. Technische Berufe sind nach wie vor in Deutschland in erster Linie Männersache. Die Statistik besagt, dass 2018 fast 90 Prozent der Beschäftigten im Bereich von Maschinen- und Fahrzeugtechnik und 85 Prozent der Informations- und Kommunikationstechnologie von Männern besetzt waren.
„Dabei wird die zunehmende Automatisierung aller unserer Wirtschafts- und Freizeitbereiche mit künstlicher Intelligenz in Zukunft immer wichtiger“, sagt Sabine Fernau. Darum müssten zukünftig beiderlei Geschlechter solche Themen wie Computer-Programmierung, physikalische Prozesse, Ingenieurswesen, Mathe und Chemie verstehen und beherrschen. „Und das ist kein Hexenwerk“, betont die Geschäftsführerin der Initiative Naturwissenschaft und Technik (NAT), die seit 2013 in Hamburg dabei ist, mehr Mädchen in den Oberschulen für naturwissenschaftliche Fächer zu begeistern.
Seit 2018 beteiligen sich auch die vier Gymnasien Lessing, Harksheide, Coppernicus und Lise-Meitner in Norderstedt an diesem Projekt, berichtet die zuständige Dezernentin Anette Reinders. 150 der 1300 Schülerinnen, die bisher an dem sogenannten MINT-Pink-Projekt teilgenommen haben, kamen aus Norderstedt. Aktuell sind es rund 60 von 250 Schülerinnen der achten und neunten Klassen, die in diesem Jahr mitmachen, sagt Sabine Fernau.
An fünf Projekttagen lernen die Teilnehmerinnen technische Berufe und die dafür notwendigen Grundkenntnisse bei Lehrgängen und praktischen Übungen in verschiedenen Wirtschaftsbetrieben kennen. „Technik zum Anfassen“, zum Beispiel bei Tesa, Jungheinrich, Drytec und den Stadtwerken in Norderstedt. So lernten die jungen Frauen bei den Stadtwerken zu schweißen, zu löten und Flugdrohnen zu steuern.
Ein gewisses Verständnis für MINT-Fächer ist vorteilhaft
Die beteiligten 18 Schulen in Hamburg und Norderstedt suchten die Schülerinnen aus, die dafür infrage kommen, erklärt Fernau. Die Norderstedter Entwicklungsgesellschaft (EGNO) koordiniert die Teilnahme.
Die Mädchen sollten möglichst schon ein gewisses Verständnis für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik mitbringen, wie die Fächer als MINT abgekürzt heißen. Wie die Beobachtungen und Befragungen zeigten, mache das Projekt allen Teilnehmerinnen sehr viel Spaß, sagt Fernau. Auch wenn bis zu 90 Prozent jener Schülerinnen, die an einem Wochenende nach einer Einführung Computerprogramme schreiben sollten, dies vorher noch nie getan hätten.
Das Förderprogramm zeige erste gewünschte Veränderungen, berichtet die NAT-Chefin. So sagte vor Beginn des Projektes nur jede zweite Schülerin, dass sie mal einen MINT-Beruf ergreifen möchte. Hinterher waren es erstaunliche 84 Prozent. Die Bereitschaft, eines der besonders schwierigen Schulprofile Chemie und Physik bis zum Abitur zu wählen, steige durch die Teilnahme an dem MINT-Pink-Projekt um etwa ein Drittel. Wenn vorher vielleicht ein oder zwei Mädchen in diesen technischen Schulprofil-Klassen gewesen seien, seien es heute vier bis neun je Klasse, sagt Sabine Fernau stolz. „In einigen Hamburger Schulen sind heute schon genauso viele Mädchen wie Jungen in den naturwissenschaftlichen Profil-Klassen.“
Auch am Lise-Meitner-Gymnasium wählen vermehrt Mädchen naturwissenschaftliche Profile, sagt Schulleiter Stephan Damp. Ob das am MINT-Pink-Projekt liege, könne er nicht sagen. „Aber das ist ein ganz hervorragendes Angebot für unsere Schülerinnen.“
Junge Frauen sollen erkennen: „Ich kann das auch!“
Das Alleinstellungsmerkmal, als einziges Mädchen einen Mathe-Leistungskursus belegt zu haben, kennt Svantje Lieber noch aus ihrer eigenen Schulzeit in Norderstedt. „Eine gute Mathelehrerin hatte mich dafür begeistert. Aber ich war allein in einer Klasse nur mit Jungs“, erinnert sich die Frau, die jetzt Bankkauffrau bei der Sparkasse Holstein ist. „Wir brauchen weiblichen Nachwuchs, der auch naturwissenschaftliche Kenntnisse hat.“ Darum gehöre ihr Institut jetzt auch zu den Förderern des Projektes, wie auch die bereits genannten Firmen aus Norderstedt. Je Schülerin koste die Organisation des Förderprogramms etwa 500 Euro, erklärt Fernau, um Fahrt- und Verwaltungskosten zu tragen.
Stadträtin Anette Reinders hätte sich gewünscht, dass es ein solches Mädchen-Förderprogramm schon in ihrer Schulzeit gegeben hätte. So habe sie sich selbst im Laufe des Lebens technische Kenntnisse wie das Basteln an Computern beibringen müssen. „Hier geht es darum, dass Mädchen erkennen: ‚Ich kann das auch!‘“, sagt die Norderstedter Dezernentin, die zudem betont: „Das besonders Spannende an diesem Projekt ist es ja, dass die Schülerinnen mit ganz praktischen Übungen für die Technik begeistert werden.“
Und jede Schülerin, die mitmache, überzeuge andere, es ihr gleichzutun, sagt EGNO-Chef Marc-Mario Bertermann, dessen Tochter auch schon mit Erfolg an dem Programm teilgenommen hat.