Schön plastisch
13.04.2016

Schön plastischLehrerfortbildung des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik

Ralf Kleiber hat eine Schwäche für Schokolade. Das sieht man nicht, das merkt man: Immer wenn es um Energie und Brennwerte geht, greift der schlanke Physiker zum kakaohaltigen Genussmittel – rein bildlich, versteht sich: „Wenn wir den thermischen Energiegehalt eines Fusionsreaktors in Kilokalorien umrechnen, dann kommen wir auf einen Wert, der in 150 Tafeln Schokolade steckt“, sagt der promovierte Forscher und wirft einen orangerot leuchtenden Feuerball auf die Leinwand – neben einem Turm aus bunten Tafeln: „Und davor fürchtet sich schließlich auch niemand!“ Gelächter und Gejohle im Gruppenarbeitsraum der Körber-Stiftung: Lehrer unterschiedlicher Gymnasien, überwiegend Physiklehrer, sind hier zusammengekommen, um sich mit drei Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, kurz IPP auszutauschen. Eine Lehrerfortbildung der Greifswalder in Hamburg, ermöglicht durch NAT und Körber-Stiftung.

Eine Option mehr

Die Wissenschaftler arbeiten an einem der größten deutschen Forschungsprojekte, benannt nach einem bayerischen Berg, aber im Ostseeraum verankert: Wendelstein 7-X ist eine Experimentieranlage zur Erforschung der Kernfusionstechnik und eine Option mehr, wenn Energieverbrauch und CO2-Erwärmung gleichzeitig steigen, wie Kleiber deutlich macht. „Wenn man sieht, dass viele Probleme auf einen zukommen, muss man versuchen, möglichst viele Lösungsansätze zu verfolgen.“ Das Thema Energie ist längst Pflichtstoff in Hamburger Schulen: „Ich habe gerade in der neunten und zehnten Klasse viel damit zu tun“, sagt Tobias Vetter. Der Physiklehrer vom Gymnasium Ohmoor hat sich aber auch zu der Fortbildung angemeldet, weil er selbst mehr über die Kernfusion lernen möchte. „Ich dachte, das könnte gut zusammenpassen.“

Trau keinem Szenario, das du nicht selbst inszeniert hast

Es passt. Denn es geht in der Fortbildung über die Fusionsforschung hinaus: Plasmaphysiker Jörg Riemann hinterfragt die Aussagekraft einfacher physikalischer Abschätzungen beim Energieverbrauch und sein Kollege Matthias Borchardt globale Energieszenarien. Viel Stoff zur Anknüpfung, selbst im Mittelstufenunterricht, findet Vetter: „Die Folgen der Schwankungen bei den Regenerativen Energien werde ich in der neunten Klasse einbinden und die Kernfusion in der zehnten Klasse, wenn es um Radioaktivität geht.“ Aber auch fachlich habe der Physiklehrer einiges mitgenommen und ein Bewusstsein für die Dimension bekommen, lobt er: „Bisher dachte ich, dass sei ein relativ neues Forschungsgebiet, aber dahinter steckt ein Riesenprozess.“ Die ersten Versuche, durch die kontrollierte Verschmelzung von Atomkernen Energie zu gewinnen, sind bereits über 60 Jahre alt.

Greifswald begreifen

Tokamak und Stellarator, verdrillte Magnetlinien und helikale Spulen, schwebendes 150 Millionen Kelvin heißes Plasma in einem Torus: Ein wenig klingt es schon nach einer neuen Star Wars Episode, was Kleiber auftischt. Selbst wenn der Physiker verdeutlicht, dass sich der Großteil der Materie im Weltall im Plasmazustand befindet. „Plasma ist ein Gemisch aus einem negativ und einem positiv geladenen Gas. Und deswegen reagiert es auf elektrische Felder.“ Drei Bedingungen müssen die Wissenschaftler erfüllen, um Energie aus dem Plasma zu gewinnen: hohe Temperatur, hohe Dichte und einen guten Energieeinschluss. Dabei kann sich das Hochvakuum im Plasma allerdings nicht mit der Dichte einer Schokolade messen: „Man lässt sich viel zu leicht von 150 Millionen Grad verführen“, kommt Kleiber noch einmal auf den Energievergleich zurück. Die Lehrer wissen es nach sieben Stunden Fortbildung besser – und sind angesteckt, so wie Fabian Domke, Albert-Schweizer-Gymnasium: „Dass Physiker so plastisch vermitteln können, das ist echt klasse.“

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