Überaus reaktionsfreudig
30.03.2023

Überaus reaktionsfreudigSchülerinnen erkunden das Chemiewerk Schill+Seilacher

Zusammenkleben und wieder trennen. Aus flexiblen Fasern stabile Verbundstoffe machen. Aushärten und anzünden: Ein Labor der Forschung und Entwicklung (F&E) ist ein großes Experimentierfeld und fünf Neuntklässlerinnen stehen mittendrin. „Es ist ganz viel Trial and Error“, sagt Isabell Bargmann. Die stellvertretende F&E-Leiterin der Abteilung „Reactive Polymers & Flame Retardants“ im Hamburger Werk der Schill+Seilacher „Struktol“ GmbH begrüßt an diesem Vormittag Schülerinnen der Gymnasien Buckhorn und Lohbrügge. In Kleingruppen erkundigen sie die Entwicklung, Produktion und Qualitätskontrolle von Zusatzstoffen, die kaum einer kennt, obwohl sie für die positiven Effekte vieler Produkte verantwortlich sind. Etwa Epoxidharze, künstlich hergestellte Harze, die kleben, stabilisieren, aber auch sehr schnell Feuer fangen können. Es sei denn, man setzt ihnen ein Flammschutzmittel hinzu, wie Bargmanns Laborteam erfolgreich vorführt.

Eine neue Welt 

„Epoxidharze sind überaus reaktionsfreudig, sie finden eine breite Anwendung“, erklärt die gelernte Chemielaborantin mit einem zusätzlich abgeschlossenen berufsbegleitenden Bachelorstudium in Chemie. Vor allem kann man sie ständig weiter verbessern. Davon dürfen sich die Mädchen per „T-Schälprüfung“ selbst überzeugen: Eine Standard-Klebung in T-Form lässt sich mühelos auseinanderziehen. Setzt man dem Epoxidharz aber Elastomere hinzu, ist da mit Muskelkraft allein nichts zu machen. „Ich war noch nie so wirklich in einem Labor, es ist sehr beeindruckend“, findet Helene. Die Lohbrügge-Gymnasiastin lobt die entspannte Arbeitsatmosphäre, das Bemühen um Nachhaltigkeit in der Produktion und Anschaulichkeit in der Präsentation. „Es ist eine ganz andere Welt als der Chemieunterricht“, sagt die 15-Jährige und führt als Beispiel die exotherme Reaktion zwischen Epoxidharz und Härter bei der Klebstoffproduktion an: „Man hat gesehen, wie viel Energie frei wird. In der Schule haben wir mit Salzen gearbeitet und es hat nur kurz geblubbert.“

Kochen im XXL-Format

In ihrem Schulpraktikum hat Helene in der Gastronomie gearbeitet, genauer in der Patisserie, weil das mal was anderes und Handarbeit war. „Ich mag es, kreativ zu arbeiten“, sagt sie. So ganz weit weg war sie damit nicht von der Produktion der Gummizusatzstoffe, die sie an diesem Vormittag bei Schill+Seilacher "Struktol" GmbH kennenlernt.  Auch wenn die Dimension im Chemiewerk eine andere ist: Die Mädchen schauen in Reaktoren, in die bis zu zwölf Kubikmeter Flüssigkeit passen und auf Kühlbänder, die aus einer zähflüssigen Teigmasse im Handumdrehen Millionen fester Pastillen machen. „Wir wiegen nicht mit einem Spatel ab, sondern nehmen einen Sack und schmeißen den in den Reaktor rein“, erklärt Betriebsleiterin Angelika Preetz den Unterschied zum Labor. 

Traumarbeitsplatz „Schaumplatz“ 

Die promovierte Chemikerin ist die einzige Frau auf den Produktionsflächen mit rund 80 Beschäftigten. Und will genau das ändern: „Ist ja schon mal eine gute Idee, wenn es eine Chefin gibt“, sagt sie lachend. Schließlich ist die Arbeit im Chemiewerk längst kein Kraftakt mehr: Buckhorn-Gymnasiastin Lisa hebt spielend einen 25 Kilo schweren Sack mit Zinkoxid und lässt ihn über dem Boden schweben – eine Vakuumhebehilfe macht es möglich. Dennoch gefällt der Schülerin das Prüflabor am besten: Da wird alles kontrolliert, was in der Fabrik produziert wird, das ist bei 500 verschiedenen Artikeln schon mal abwechslungsreich. Besonders angetan sind die Mädchen vom „Schaumplatz“, der die Wirkung der Entschäumer am Zucker, der Hefe oder der Kartoffel, sprich Stärke testet. „Das war interessant“, findet Lisa am Ende eines MINT-Tages mit drei Stationen und einer Botschaft: Chemisch-technische Praktikerinnen braucht das Land!

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