Ausflug in die StoffumwandlungLehrkräfte erleben die Verfahrenstechnik von morgen
SMARTe Reaktoren. So heißt ein Sonderforschungsbereich (SFB) an der Technischen Universität TUHH. Angesiedelt ist er in der Verfahrenstechnik, aber mit dem Begriff könnten die meisten wenig anfangen, dabei sorgt die Stoffumwandlung im Großmaßstab dafür, dass Dinge nicht nur erfunden, sondern für die ganze Welt produziert werden.
Smarte Reaktoren für die Verfahrenstechnik
Eine Sprudelmaschine im XXXL-Format, Gasbläschen wie Schneeflocken, die von unten in den fünf Meter hohen Reaktor reingepustet, von einem mächtigen Rührer zerteilt und in seinem Schlepptau gleichmäßig über den gesamten Querschnitt verteilt werden: Die Bilder, die Anika Vogel mit ihrem Physikprofil am Lise-Meitner-Gymnasium teilt, sind echte Hingucker. Sie machen nicht nur müde Schüler wach, sie erzählen auch von dem Ausflug der promovierten Physiklehrerin in die Welt SMARTer Reaktoren. So heißt ein Sonderforschungsbereich (SFB) an der Technischen Universität TUHH. Angesiedelt ist er in der Verfahrenstechnik, aber mit dem Begriff könnten die meisten Jugendlichen nichts anfangen, bedauert SFB-Sprecher Michael Schlüter. Dabei sorge erst Stoffumwandlung im Großmaßstab dafür, dass Dinge nicht nur erfunden, sondern für die ganze Welt produziert werden, betont der Professor: „Wenn es die Verfahrenstechnik nicht gäbe, würden wir hier nackt auf dem Boden sitzen, wir hätten noch nicht mal das Gebäude.“
Nachhaltige Produktion
Das Problem nur: Bei der Produktion von Verpackung, Inventar oder Medikamenten werden nicht nur große Mengen fossiler Rohstoffe verbraucht, sondern auch Abluft und Abwasser produziert. „Deshalb müssen wir das zukünftig möglichst nachhaltig und effizient machen“, sagt Professor Schlüter. Genau dafür steht das Akronym SMART, das sich aus englischsprachigen Begriffen zusammensetzt und einen intelligenten Umgang mit der schwankenden Qualität nachwachsender Rohstoffe sucht. „Wir wollen hin zu autonomen Reaktoren, die eigenständig Reaktionsbedingungen wie Temperaturen und Konzentrationen ermitteln, darauf reagieren und den Prozess optimal fahren – wie ein autonomes Auto auf der idealen Route“, so Schlüter. Eine Jahrhundertaufgabe, die nur in einem starken Forschungsverbund mit engagiertem Nachwuchs unterschiedlicher Disziplinen zu stemmen sei: Forschungsgelder für die ersten vier Jahre sind gesichert. Wenn die Zwischenevaluationen überzeugen, folgen acht weitere.
Bioprozesse transparent machen
„Wenn das zwölf Jahre läuft, sind wir darauf angewiesen, von Ihnen tolle junge Schülerinnen und Schüler zu bekommen“, wendet sich Professor Schlüter an die Lehrkräfte. Sie wurden von der Initiative NAT zu der Fortbildung eingeladen: „Nur was ich selber weiß, kann ich weitergeben“, erklärt NAT-Geschäftsführerin Sabine Fernau das Ziel der Exkursion. Anika Vogel ist das beste Beispiel dafür, dass es aufgeht. Auch wenn der Lehrplan gerade ganz andere Themen vorsehe, will sie den Jugendlichen von Zellen berichten, die durch schlechte Nährstoff- und Sauerstoffversorgung verhungern oder ersticken. „Rühren ist halt doch nicht so einfach“, sagt die Physiklehrerin. Zumindest nicht in einem Rührkesselreaktor im Industriemaßstab: 15.000 Liter Wasser werden mit Sauerstoff angereichert, CO2 wird ausgetrieben und mittendrin kann der Weg einer Zelle, ihre „Lifeline“ per Messtechnik verfolgt werden.
Smart unterrichten
Ganz anders die katalytischen Prozesse, die TU-Professor Raimund Horn untersucht: Sie finden im Verborgenen statt, sind schwer zu messen und zu regeln. „Daher bauen wir industrielle Prozesse nach und untersuchen mit physikalischen Messmethoden, etwa der Raman-Spektroskopie, was in dem Reaktor passiert und wie sich die Katalysatoren verändern“, so der Leiter des Instituts für Chemische Reaktionstechnik. Sein Team untersucht gerade Optimierungen des Ostwald-Verfahrens, welches für die Versorgung unserer Weltbevölkerung mit Düngemitteln unverzichtbar, aber auch für schädliches Lachgas in der Ozonschicht verantwortlich ist. Ein Thema aus dem Hamburger Lehrplan, das Petra Schrick am Herzen liegt und für das die Chemielehrerin am Johanneum viele neue Impulse aus der TUHH mitnimmt: “Das sind die spannendsten und lehrreichsten Fortbildungsstunden, die man in Hamburg bekommen kann“, lobt sie zum Abschied.
Wissenstransfer Chemie
Die Exkursion brachte neben zahlreichen neuen Erkenntnissen zur Produktion von Lebensmitteln und Medikamenten auch Wissenswertes für den Unterricht: Neben dem oben erwähnten Oswald-Verfahren ist das Haber-Bosch-Verfahren, dass auch in der Oberstufe auf dem Lehrplan steht, essenziell für die Verfahrenstechnik. Im Rahmen des Sonderforschungsbereiches könnte nun ein Video zum Thema entstehen - Wissenstransfer vom Feinsten!
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