Brett vom Kopf lösenJugendliche erkunden Räume der Zukunft
Die Wartung eines Offshore-Windparks ist teuer: Die Techniker müssen per Helikopter eingeflogen werden und wenn sie Fehler beim Öffnen der Dachklappe machen und das eigene Leben in Gefahr bringen, wird es „deutlich ungemütlich“, betont Kai von Luck. Der Informatikprofessor der HAW Hamburg sitzt vor weißen, fensterlosen Wänden und schaut auf seine Bildschirmkamera herab. Raus ins schneekalte Grau der Nordsee muss er nicht, um den Prototyp einer Offshore-Windturbine vorzustellen. Die Anlage haben seine Studierenden mit Hilfe von Fotos und 3D-Technologie im Auftrag eines Karlsruhers Energieversorgers virtuell nachgebaut. „Das ist ein VR-System“, sagt der Laborleiter des „Creative Space for Technical Innovations“ (CSTI) an der HAW und ergänzt: „VR steht für virtuelle Realitäten, also für das Brett vorm Kopf.“
Es ist alles nicht echt
Gemeint ist das Headset, das Anwender aufsetzen müssen, wenn sie sich mit möglichst klarer Sicht durch virtuelle Welten bewegen wollen. Dabei geht es an diesem Vormittag um das Gegenteil der sprichwörtlichen Denkblockaden: Der „Match Day Gaming & VR“, den die Initiative NAT für technikaffine Oberstufenprofile veranstaltet, will den Horizont erweitern. Das funktioniert auch, wenn die Teilnehmer beispielsweise erfahren, dass die „Musketiere“, ein Video des Popstars Mark Forster, nicht im Wüstensand gedreht wurde. Vielmehr wurde der Hintergrund auf einem großen LED-Screen erzeugt und mit der Kamera synchronisiert, wie ein „Behind the Scenes“-Video dokumentiert. Zu den Machern der virtuellen Produktion gehört Fabio Buccheri, „Head of Sales“ bei der Bizzlogic GmbH. „Ich versuche den Firmen zu verklickern, dass Gaming-Technologie nicht nur für die Kids interessant ist, sondern für ganz viele Anwendungsbereiche benutzt werden kann“, erklärt der 31-Jährige seine Funktion.
Kein Kinderspiel: VR for Business
Dann nimmt Buccheri die Jugendlichen mit auf eine schnelle Reise durchs "Metaverse" zu computergenerierten Messen, Produktpräsentationen und Workshops. Für die Aftershow-Party hat er sich einen smarten Avatar zugelegt, mit dem er durch eine "Elphi"-ähnliche Halle tanzt. Aus Sicht des Medienmanagers ist das "Metaverse" das nächste große Ding. "Man hat dann nicht mehr nur alles in 2D, sondern eine virtuelle 3D-Umgebung als Benutzeroberfläche." Was der Unterschied sei zu den Plänen von Mark Zuckerberg, fragen die Jugendlichen. "Mit der Umfirmierung auf Meta hat Facebook versucht, den Begriff für sich zu claimen, aber das Konzept ist viel älter", so Buccheri. Breiter ist es auch: Dass die VR-Brille für die Etablierung eines Paralleluniversums unabdingbar sei, will der Verkaufschef so nicht gelten lassen. Auch die Ausspielung von 3D-Umgebungen oder Augmented Reality, "angereicherte Realitäten", gehörten dazu.
Willkommen im Metaversum
„Das komplette Zusammenkommen der beiden Welten ist für mich die Definition des Metaverse“, betont Buccheri. Kai von Luck hat nach anderthalb Jahren Pandemie und Distanzstudium zumindest seine Zweifel, ob ein rein virtuelles Universum funktionieren wird. „Dafür mag ich die Realität zu gern“, sagt er. Befragt, ob das auch in der Schule Einzug halten könnte, holt der Professor tief Luft und dann im Hinblick auf die Kosten aus. „Bei Fächern mit ewigen Wahrheiten, also Grundlagen der Physik oder Mathematik kann ich mir das als Ergänzung zum Selbststudium gut vorstellen.“ Eine von über 300 Fragen, die Jugendliche am Match Day bewegen. Nicht alle können in der Kürze der Zeit beantwortet werden. Aber von Luck hat seine Kontaktdaten mitgebracht. Jetzt heißt es, Brett vom Kopf lösen: Nicht jeder Professor ist so distanziert wie sein Image.