Match Day Space Technologies
20.01.2023

Match Day Space TechnologiesInterview mit den Referentinnen

Zukunftstechnologien im Bereich der Luft- und Raumfahrt widmete sich der elfte Match Day am 06. Dezember. Einige Fragen der Schülerinnen und Schüler sind noch offen geblieben. Ein Dank an die Referentinnen die uns für die Beantwortung noch einmal zur Verfügung standen.

Dr. Charlotte Bewick, OHB SE - Satelitensysteme

Inwiefern wird bei der Produktion von Satelliten auf Nachhaltigkeit geachtet?

Es gibt zweierlei Aspekte der Nachhaltigkeit, die wir beim Satellitenbau berücksichtigen:

  1. Nachhaltigkeit in der Produktion: Die meisten Satelliten sind Maßanfertigungen. Wir bauen einen oder maximal ein paar Dutzend von Ihnen, daher ist der Umwelteinfluss sehr klein im Vergleich zum anderen produzierenden Gewerbe. Allerdings verfolgen wir trotzdem unseren jährlichen Stromverbrauch und die Menge an Abfällen (insbesondere Sondermüll) den wir produzieren und setzen uns Ziele diese Kennzahlen soweit es geht zu verringern. Recycling von Satelliten ist leider (noch) nicht möglich, da es zur Zeit technisch weder möglich ist, die Satelliten im All wiederzuverwerten, noch sie so unbeschadet wieder zum Boden zu bringen, dass eine Wiederverwertung am Boden möglich wäre. Wir arbeiten aber tatsächlich schon an Zukunftsprojekten in denen wir die Machbarkeit einer orbitalen Recycling Station untersuchen.
  2. Nachhaltige Raumfahrt: Hier geht es darum, dass der Weltraumschrott nicht mehr wird. Eine Vermüllung unseres Orbits hat zwar auf das Ökosystem der Erde kaum direkte Auswirkungen, führt aber dazu, dass Raumfahrt immer teurer und gefährlicher wird. Wir sind deshalb schon seit vielen Jahren bemüht unsere Satelliten möglichst Weltraumschrottneutral zu gestalten. Das heißt, dass wir sie so ausstatten, dass sie nicht von alleine im All explodieren und zu Schrottwolken werden, und dass wir sie am Ende der Betriebsdauer aus dem Orbit entfernen. Außerdem arbeiten wir an der Entwicklung von Technologien, die Satelliten besser verglühbar machen, oder Wiedereintritte noch effektiver werden lassen.

Welche Materialien werden für den Bau von Satelliten verwendet?

Die Struktur von Satelliten besteht in den allermeisten Fällen aus Aluminium (leicht, stabil, günstig). Die Wände bestehen meistens aus Aluminium- oder Kohlefaserplatten mit einem Aluminium Wabenkern. Kohlefaser ist leichter und dehnt sich viel weniger bei Temperaturunterschieden aus, dafür schützt Aluminium vor Strahlung und kann Hitze besser ableiten. Je nachdem welche Funktion also eine Wand hat, nutzt man das eine oder andere. Einige Spezialteile, zum Beispiel die Treibstofftanks, werden auch aus Titan hergestellt, das ebenfalls sehr leicht und stabil ist, aber weniger stark ausdehnt, dafür aber teurer ist. Manche Instrumente bestehen aus Silikaten oder Keramik. Außen ist der Satellit oft in eine spezielle Superisolierfolie eingepackt, die multi-layer insulation (MLI) heißt und aus einem Verbundstoff besteht, der manchmal sogar mit Gold beschichtet ist. Die elektronischen Komponenten im Satelliten bestehen aus denselben Materialien wie terrestrische Schaltkästen und E-Boxen. Allerdings verwenden wir nur selten Plastik (und wenn dann nur spezielles Plastik), weil das im Vakuum ausdünstet und seine Form stark verändern kann. Die Solarpaneele sind mit Solarzellen bestückt, die unter einer Schicht Spezialglas verbaut sind. Dieses Glas schützt die Solarzellen vor Weltraumstrahlung. Das sind die wichtigsten Materialien im Satellitenbau, aber je nach Anwendung kommen noch viele andere hinzu.

Wie relevant sind derzeit Ionen-Antriebe in Satelliten?

Ionenantriebe sind eine Unterart der elektrischen Satellitenantriebe. Diese funktionieren indem man elektrischen Strom nutzt, um die Effizienz des Antriebs stark zu erhöhen. Dazu nutzt man Strom, den man „kostenlos“ über Solarpaneele generiert. Der Vorteil dieser Antriebe ist, dass sie für dieselben Manöver viel weniger Treibstoffmasse verbrauchen als chemische Antriebe. Der Nachteil ist, dass sie auch viel weniger Schub liefern als klassische chemische Antriebe. Darum sind elektrische Antriebe zwar sehr wichtig in der Satellitentechnik, aber können chemische nicht komplett ersetzen. Wenn ich schnell ein großes Manöver ausführen muss, dann brauche ich zwingend einen chemischen Antrieb, aber wenn ich über einen langen Zeitraum eine große Entfernung zurücklegen will (zum Beispiel bei einer interplanetaren Mission), dann lohnen sich oft elektrische Antriebe, weil man viel weniger Treibstoff benötigt und die Tanks dementsprechend kleiner und leichter sein können.

Zum Vortrag auf YouTube: https://youtu.be/t9PPKBCY_Ak

Dr. Anna Bauch, Airbus - Klimaneutrales Fliegen

Welchen Einfluss hat die Nutzung von Wasserstoff/Elektro auf Umwelt und Gesellschaft, Weltmarkt?

Ein erfolgreicher *Klimaschutz* bedeutet eine notwendige Wende weg von fossiler Energie hin zu erneuerbaren Energien. Wasserstoff spielt im heutigen fossilen Energiesystem als Sekundärenergieträger für Raffinerieprozesse und chemische Industrie eine Rolle. Wasserstoffnutzung ist also im Prinzip nichts Neues. Grundsätzlich könnte man über den Einsatz von Wasserstoff in allen Anwendungsbereichen, etwa Verkehr, Industrie und Gebäuden, als Endenergieträger rein technisch sinnvoll nachdenken. Allerdings ist dessen breiter Einsatz vor dem Hintergrund der Energieeffizienz und des Ressourcenschutzes nicht zweckmäßig. Verglichen mit elektrolytisch hergestelltem Wasserstoff kann deutlich mehr fossile Energie ersetzt und mehr Treibhausgasemissionen reduziert werden, wenn der erneuerbare Strom direkt eingesetzt wird. Allein vor diesem Hintergrund sollte es stets die oberste Prämisse sein, erneuerbare Energien und erneuerbaren Strom direkt und ohne die Verluste beim Umweg über Wasserstoff zu nutzen. 
Nur dort, wo es technisch nicht möglich ist, erneuerbare Energien und erneuerbaren Strom direkt zu nutzen, sollte Wasserstoff zum Einsatz kommen. Wasserstoff im Verkehr sollte nur in Bereichen eingesetzt werden, in denen eine direkte Nutzung von erneuerbarem Strom nicht möglich ist. Dies sind insbesondere Bereiche mit einem hohen Energiebedarf oder großen Reichweitenanforderungen, wie beispielsweise der Seeverkehr, Flugverkehr oder gegebenenfalls im Straßengüterfernverkehr. Hier direkt als Flüssigwasserstoff oder als Basis um Mithilfe von chemischen Verfahren (Fischer-Tropsch-Verfahren) synthetisches Kerosin - die sogenannten synthetischen Flugzuegkraftstoffe (SAF) herzustellen. Die gesamte Infrastruktur vom Gaslieferanten, das Pipeline Netzwerk, Tankstellen sowie auch alle Verbraucher müssen entsprechend vorbereitet werden und dann als Gesamtsystem funktionieren. Das ist eine Herausforderung an das gesamte Ecosystem. Die Gesellschaft und der Weltmarkt müssen sich hier vorbereiten und teilweise umdenken. 

Können auch Energiedichtere Brennstoffe, wie z.B. Wasserstoff-Paste benutzt werden?

Theoretisch kann Wasserstoff auch in anderen Formen genutzt werden, nur ist der aktuelle Forschungsstand der Wasserstoff-Pasten noch so, dass diese noch nicht genügend Energiedichte aufweisen, um in der Luftfahrt einsetzbar zu sein. 

Könnte man nicht aus CO2 in der Luft wieder Kerosin herstellen, und wäre dann in einem Kreislauf auch etwa bei 0?

Das ist die Grundlage der Fischer-Tropsch-Synthese (auch Fischer-Tropsch-Verfahren, kurz FT-Synthese) - ein großtechnisches Verfahren zur Herstellung von Kohlenwasserstoffen aus Synthesegas, einem Gemisch aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff. Hier wird genau auf dieser Basis gearbeitet und aus CO2 mit grüner Energie Wasserstoff und Kohlenmonoxid hergestellt und Mittels Fischer-Tropsch-Synthese die sogenannten synthetischen Kraftstoffe gewonnen. Kreislaufmäßig wäre man nicht bei 0 mit diesem Verfahren, da hier auch noch Abwärme, Sauerstoff und Abwasser generiert werden. 

Zum Vortrag auf YouTube: https://youtu.be/RyYgXPbkRqQ

Jil Eltgen, i-LUM Verbundprojekt - Urbane Mobilität neu denken

Wäre es auch eine Option Luft"taxis" als Privatfahrzeuge zu verkaufen?

Es existieren einige Konzepte, mit diesen das möglich sein könnte. Dabei zeigen sich neben klassischen Lufttaxis auch Gondeln, die entweder ein Fahrwerk für die Straße oder ein Triebwerk für die Luft besitzen. Jedoch ist das aufgrund des sicherheitssensiblen Luftraums mit Flugscheinen, Führerscheinen und Lizenzen verbunden und diese Datenlage ist noch nicht geklärt. Jedoch gibt es neben den klassischen Flugzeugen auch private Sportflugzeuge, weswegen auch private Lufttaxis denkbar wären.

Wie sind die Ideen rund um Versicherungs- und Haftungsfragen etwa bei Unfällen bei der urbanen Mobilität?

Die lehnen sich stark an die jetzigen konventionellen Flugzeuge, Helikopter und Sportflugzeuge an.

Ist die Umsetzung des Projektes zunächst nur für Hamburg gedacht und wie lange wird es dauern, bis die ersten solcher Drohnen tatsächlich fliegen?

Die Umsetzung ist für jegliche Metropolregionen gedacht. Dabei bieten sich vor allem große Städte, wie San Diego, Los Angeles, Dubai oder London an. Also immer dort, wo viele Menschen leben, viel Straßenverkehr vorherrscht und wenig freier Platz verfügbar ist. Aber es gibt neben der urbanen Mobilität auch Konzepte der regionalen oder interregionalen Mobilität. Das kann man sich dann wie einen Pendelverkehr zwischen Großstädten vorstellen. Die Prognosen sprechen von einem Servicestart ab 2024 bis 2040, je nachdem wo man schaut. Für Olympia in Paris sollen diese 2024 bereits fliegen, andere Städte verbinden dies mit politischen Zielen wie der Klimaneutralität ab 2040.

Zum Vortrag auf YouTube: https://youtu.be/MDdcEJs-bYI

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