Unter der OberflächeMINT-Nachwuchs geht auf Tauchstation beim Schülerklimakongress
„Wer von euch hat schon einmal den Begriff IoT gehört?“, beginnt Bernd-Christian Renner, Professor an der Technischen Universität Hamburg, seinen 90-minütigen Workshop und blickt dabei in fragende Gesichter der rund 80 Jugendlichen im Hörsaal. Die anwesenden Oberstufenschülerinnen und -schüler haben sich an diesem Nachmittag für den Beitrag „Faszinierende Tiefen“ des Ingenieurs entschieden, einer von 22 Programmpunkten beim diesjährigen Klimakongress der Initiative NAT. IoT oder Internet of Things meint die Sensoren im täglichen Leben, die messen und steuern, ob im Bereich Mobilität, im Haushalt oder eben in der Wissenschaft. Doch statt um Smart Home geht es im weiteren Verlauf um Smart Water. „71 Prozent des Planeten sind von Wasser bedeckt. Wir Menschen nutzen das Wasser und die Orte unter Wasser", der TU-Professor gibt an dieser Stelle verschieden Beispiele, wie etwa die Gewinnung von Ressourcen, "aber wir wissen fast nur was oberhalb passiert", führt er weiter aus, denn die Meere und Ozeane sind bisher größtenteils unerforscht.
Petri Heil 2.0
Die Wissenschaft möchte mehr wissen über die Auswirkungen des Klimawandels. Doch Feldforschung sei oft teuer und aufwendig. Das soll sich dank des Institutes „Autonome Cyber-Physische Systeme“ unter der Leitung von Professor Renner schon bald ändern. Ein selbstgebautes und -programmiertes Kommunikations-Modem für kommerzielle Unterwasserroboter wie den Blue Rov2 soll es richten. Statt Dorsche fangen und vermessen zu müssen, wäre ein autonomes Fischmonitoring möglich. Die Populationsüberwachung in der Ostsee ist nur eines der aktuellen Projekte, in denen das Modem zum Einsatz kommt. „Computer sind gut darin, komplexe, fehleranfällige, aber auch monotone Arbeiten für uns zu übernehmen“, so die Idee, doch bis zum Einsatz im Forschungsalltag ist es noch ein ganzes Stück Arbeit, wie die Jugendlichen erfahren.
In unbekannten Gefilden
Nur grüne Schlieren, dunkle Umrisse und ein Licht sind auf dem Video der Unterwasseraufnahme zu erkennen. Die Sicht ist unter der Meeresoberfläche schlecht, das können die Jugendlichen deutlich sehen. Doch der TU-Professor ist zuversichtlich, dass der Blue Rov2 bald ohne Kamerasicht über akustische Ortsbestimmung eigenständig navigieren kann. Von der Distanzmessung zur Selbstlokalisation zur Gewinnung neuer Erkenntnisse - das ist der Weg, den das Team zurzeit erprobt und den Renner seinem Publikum in aller Ausführlichkeit erklärt. Auch der diesjährige Schülerklimakongress an der Universität Hamburg unter dem Motto „Klimaforschung und Zukunftsszenarien“ soll den Teilnehmenden zeigen, welche technologischen Innovationen der Wissenschaft helfen können, Veränderungen in der Umwelt zu erfassen und damit den Klimawandel besser zu verstehen.
Leinen los
Doch die Kommunikation unter Wasser, über weite Distanz nur akustisch möglich, ist eine der großen Herausforderungen, vor denen das Forschungsteam steht. Störgeräusche sind ein Faktor, was Renner den Jugendlichen im kleinen Aquarium auf dem Hörsaal-Pult praktisch vorführt. Ein Grund, weshalb die Tests im Hafenbecken nur im Winter durchgeführt werden. „Daher stelle ich nur Leute mit gutem Immunsystem ein“ lacht der Ingenieur und zeigt Fotos eines Mitarbeiters in Daunenjacke bei der Datenaufnahme, den Blue Rov2 noch am langen Kabel. Doch dies soll mit dem selbstgebauten Ultraschall-Modem durch leinenlosen Informationsaustausch ersetzt werden. „Der autonome Roboter bekommt dann so eine Art Unterwasser-SMS“, etwa das Signal zum Auftauchen oder den Start einer Messreihe. Eine vorprogrammierte Botschaft z.B. im ASCII-Code, die ins Wasser entsendet wird. Der Roboter ist daher stets auf der Suche nach dem Bekannten. Für die Wissenschaftler verschiedener Disziplinen eine Chance für die weitere Erforschung des Unbekannten, die sich dadurch in Zukunft hoffentlich einfacher gestalten wird.